Tabakabhängigkeit in Deutschland: Jeder zwölfte Berufstätige betroffen

Ob als Lifestyleproblem abgetan und folglich bagatellisiert oder mit Fokus auf erhöhte Krankenstände in ein besorgniserregendes Licht gerückt – die Tabakabhängigkeit in Deutschland scheint ein ernstes Problem zu sein. Denn laut Daten der Kaufmännischen Krankenkasse würden in Deutschland die Zahlen ambulanter Behandlungen wegen einer Tabakabhängigkeit bei Berufstätigen bundesweit steigen. Wann von einer Sucht gesprochen werden muss, welche Risiken eine Tabaksucht schließlich birgt und wie ein Verständnis als „Lifestyleproblem“ die tatsächliche Problematik zu verwischen droht, erfährst du in diesem Artikel. Außerdem liest du, welche Chancen tabakfreie Nikotinbeutel hier bieten können.

Datenanalyse der KKH zu Tabakabhängigkeit bei Berufstätigen in Deutschland

Die Kaufmännische Krankenkasse (KKH), eine der der größten gesetzlichen Krankenkassen in Deutschland, wertete kürzlich für die Jahre 2012, 2019 und 2022 anonymisierte Daten zu einer „Tabaksucht“ (nach ICD-10, F17) aus. Dabei wurden die Daten von rund 675.300 pflicht- und freiwillig-versicherten berufstätigen KKH-Mitgliedern mit Krankengeldanspruch herangezogen – unabhängig davon, in welcher Form der Tabak konsumiert wurde; gleichwohl Tabakzigaretten hier das Gros aller Konsumformen zu kennzeichnen scheinen. Die Ergebnisse der Auswertung rücken nun eine Sucht, die gesellschaftlich oft nur unzureichend ernstgenommen wird, in ein Licht, das zum tätigen Bemühen um Aufklärung drängt.

Bundesländervergleich zur Tabakabhängigkeit bei Berufstätigen in Deutschland

81 von 1000 berufstätigen KKH-Mitgliedern mit Krankengeldanspruch sollen 2022 in Deutschland laut Kassen-Daten wegen einer Abhängigkeit, Entzugserscheinungen, eines akuten Tabakrauschs oder psychischer Probleme aufgrund von Tabak ambulant behandelt worden sein. Und der Blick auf die vergangenen Jahre zeigt hier einen besorgniserregenden Aufwärtstrend. So sollen es 2012 noch 50 von 1000 gewesen sein – was innerhalb von zehn Jahren ein Plus von 62 Prozent bedeutet.

Im Bundesländervergleich (Datensätze aus dem Jahr 2022) seien die meisten tabaksüchtigen Berufstätigen in Mecklenburg-Vorpommern ansässig – konkret sollen dort lt. der Kasse rund 10 Prozent der Erfassten von einer Sucht betroffen sein. In Hessen hingegen verzeichnet die KKH mit 67 pro 1.000 die wenigsten Fälle von behandlungsbedürftigem Tabakkonsum bei Berufstätigen.

Die Raucherpause – lästige Arbeitsunterbrechung oder „Effizienzmotor“?

Für Arbeitgeber zeichnet die Raucherpause durchaus divergente Meinungen. Viele meinen hier durch zahlreiche Arbeitsunterbrechungen eine geringere Arbeitsleistung erkennen zu können, wohingegen andere durchaus positive Aspekte sehen. So könnten die (Raucher-)Pausen nämlich inspirierend wirken und mögliche Effizienzsteigerungen während der geleisteten Arbeit ermöglichen.

Michael Falkenstein, Experte für Suchtfragen bei der KKH, möchte an dieser Stelle dennoch die gesundheitlichen Aspekte betonen und sieht gerade darin die Essenz, um welche es im Grunde gehen sollte:

„Bereits ab einer Zigarette am Tag gefährden Raucherinnen und Raucher ihre Gesundheit.“

Mit jeder weiteren Zigarette steige schließlich die Gefahr einer psychischen Abhängigkeit, von Atemwegs- und Herz-Kreislauf-Erkrankungen sowie Krebs deutlich und auch E-Zigaretten seien ein Suchtmittel mit Risiko, so Falkenstein. Diese würden dem KKH-Experten zufolge nämlich ebenfalls gefährliche Stoffe enthalten, die zu schweren Erkrankungen führen können.

Ob E-Zigaretten schließlich dieselben gesundheitlichen Risiken bergen wie Tabak Zigaretten, könnte man an dieser Stelle mindestens anzweifeln. Und wenn die Risiken geringer ausfielen, dann könnten E-Zigaretten vielleicht als Chance gelten, wie sie im Sinne einer Strategie der Schadensminimierung durch weniger schädliche Alternativen verstanden werden möchte.

>> Wie das Thema Schadensbegrenzung mit dem EU-Krebsbekämpfungsplan zusammengedacht werden kann, liest du in: Tabakrichtlinie in der neuen EU-Kommission: Die Zukunft für Snus und Nikotinbeutel

Steigert übermäßiger Tabakkonsum den Krankenstand?

Dass exzessive Raucher ein gewisses Risiko für Unternehmen und Kollegenkreise darstellen, könnte man zumindest durch weitere erhobene Zahlen der KKH vom Jahr 2023 meinen. Laut der Kasse würden die bundesweiten durchschnittlichen Fehlzeiten vom letzten Jahr bei Berufstätigen mit übermäßigem Tabakkonsum nämlich bei 21,4 Tagen liegen (somit um einiges höhere als bei Nicht-Konsumenten). Dies sei zudem der höchste Wert der vergangenen fünf Jahre und ein starker Anstieg von 55 Prozent im Vergleich zum Vorjahr 2022 (13,8 Tage).

Wie ebensolche Zahlen aber tatsächlich auszulegen sind, und ob die Fehlzeiten – weil mit einer Diagnose assoziiert – hier tatsächlich „monokausal“ gedeutet werden können, könnte man mindestens anzweifeln, wenngleich naheliegt, dass Komorbiditäten (Begleiterkrankungen neben F17-klassifizierten) bei starken Rauchern auf ihren Tabakabusus zurückgeführt werden können.

Ist Tabakabhängigkeit ein Lifestyle-Problem?

Eine Sucht als „Lifestyle-Problem“ abzutun, klingt wohl weniger dramatisch, wie eine solche als ernstzunehmende Krankheit zu verstehen. Jedenfalls harmloser wirkt es, eine schlechte Angewohnheit zu sehen, als die Suchtproblematik in den Fokus zu rücken – mindestens dann nämlich, geht es darum, den Genuss in Verbindung mit möglichen (gesundheitlichen) Problemen zu bringen, um das Konsumverhalten schließlich eindämmen zu müssen.

Und eben daraus schöpft eine gesellschaftliche Bagatellisierung wohl ihre Kraft. Dazu weiß Falkenstein:

„Viele Betroffene verharmlosen das Rauchen auch als schlechte Angewohnheit, die man jederzeit wieder aufgeben kann. Sie werden sich ihrer Sucht viel zu spät bewusst und suchen somit auch erst spät Hilfe.“

Wer bereits in die Tabakabhängigkeit hineingefallen ist, wird erkennen, dass das Rauchen aufzugeben nicht so einfach ist, wie anfänglich vielleicht angenommen. Doch wann beginnt denn nun die Sucht und wo endet schließlich der „harmlose“ Genuss?

Kriterien für eine Tabakabhängigkeit

Zwei gängige internationale Klassifikationssysteme, mit welchen Suchterkrankungen gefasst und klassifiziert werden können, sind die DSM-IV- und die ICD-10-Kodierung. Hinsichtlich einer Tabak-Sucht halten beide solche eine Kriterienliste bereit, mittels welcher eine entsprechende Sucht eindeutig vom bloßen Genuss unterschieden werden kann.

Im ICD-10 heißt es, wenn mindestens drei der folgenden Kriterien mindestens einen Monat lang gleichzeitig aufgetreten sind, lässt sich eine Tabakabhängigkeit diagnostisch konstatieren:

  • Verminderte Kontrolle über Tabakgebrauch; erfolgloser Versuch/anhaltender Wunsch, Gebrauch zu verringern/kontrollieren
  • Körperliches Entzugssyndrom bei Verringern oder Absetzen des Tabaks
  • Toleranzentwicklung
  • Vernachlässigung von Interessen oder Vergnügen zugunsten des Tabakkonsums
  • Anhaltender Gebrauch trotz schädlicher Folgen*

Dementsprechend ähnliche Kriterien für die diagnostische Feststellung gibt auch der DSM-IV vor, wobei mindestens drei der folgenden Kriterien für denselben 12-Monats-Zeitraum vorliegen müssen:

  • Der Nikotinkonsum ist notwendig, um Entzugssymptome zu vermeiden
  • Substanz wird in größeren Mengen oder über längeren Zeitraum als ursprünglich beabsichtigt eingenommen
  • Wunsch oder erfolglose Versuche, Substanzgebrauch zu reduzieren oder zu kontrollieren
  • Viel Zeit verbracht mit Substanzbeschaffung, Substanzkonsum oder Erholung von Substanzwirkungen
  • Substanzmissbrauch führt zum Rückzug von sozialen, beruflichen und Freizeitaktivitäten
  • Substanzgebrauch wird fortgesetzt, obwohl erkannt wird, dass es psychisch oder körperlich schadet*

Die Entzugssymptome können dabei u.a. von Dysphorie (gereizter Grundstimmung) über innere Unruhe, Angst und Konzentrationsschwierigkeiten bis hin zu Insomnie (Schlaflosigkeit/-störung) oder gar ernstzunehmenden körperlichen Symptomen reichen. In jedem Fall besteht ein klinisch relevanter Leidensdruck wie eine gewisse Beeinträchtigung für Betroffene, was das sogenannte Craving (intensives Verlangen nach Tabak resp. Suchtdruck) begünstigt.

*Quelle: https://www.apotheken-raucherberatung.ch/raucherberatung-in-der-apotheke-startseite-de/rauchstopp/raucherberatung/klassifikation-der-tabakabhaengigkeit ; Die angeführten Kriterienlisten dienen als bloßer Anhaltspunkt, um die Grenze zwischen Genuss und Tabak-Sucht schärfer ziehen zu können. Da die medizinische Diagnostik äußerst komplex ausfällt und das Erwähnte stark vereinfacht dargestellt wurde, in seinen genauen Kontext gestellt gehörte, kann dadurch keinesfalls eine akkurate Diagnosestellung möglich sein. Für den Fall derselben bedarf es eines approbierten Fachexperten.

Tabakabhängigkeit nach ICD-10 – die F17-Diagnose

Kann Tabaksucht nun noch als Lifestyle-Problem gelten? Mindestens die Weltgesundheitsorganisation (WHO) weist Tabakabhängigkeit explizit und eindeutig in ihrer medizinischen Klassifikationsliste von Krankheiten und verwandten Gesundheitsproblemen, dem sogenannten ICD-10, mit dem Diagnose-Code „F17“ als „Psychische und Verhaltensstörungen durch Tabak“ aus und lässt dadurch wenig Spielraum für eine Bagatellisierung.*

Steigt man schließlich tiefer in die F17-Diagnose, werden mögliche perniziöse Probleme von Tabakabusus/-entzug unmittelbar klar. Insbesondere nämlich seine Auswüchse in ernstzunehmende pathologische Erscheinungen – vom Entzugssyndrom(F17.3) (mit Delir – F17.4) bis hin zur psychotischen Störung (F17.5) beispielsweise.*1

*Vgl. hierzu auch: https://klassifikationen.bfarm.de/icd-10-gm/kode-suche/htmlgm2024/block-f10-f19.htm

*1 Siehe hierzu auch: https://www.icd-code.de/icd/code/F17.-.html 

KKH-Suchtexperte betont Wirksamkeit von Rauchstopp selbst bei über 60-Jährigen

Aufzuhören lohnt sich in jedem Fall - dass es gar ab 60 noch Sinn macht, den Glimmstängel hinter sich zu lassen, will Falkenstein mit Nachdruck betonen:

„Viele glauben es nicht, aber Aufhören lohnt sich in jedem Alter. Selbst wer erst als über 60-Jähriger auf Zigaretten verzichtet, senkt das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen bereits innerhalb weniger Jahre erheblich.“

Für Mitarbeiter empfiehlt der Experte, die Suchtprobleme bei Kolleginnen und Kollegen zu beobachten und sich gegebenfalls an die nächsthöhere Führungskraft oder auch die Betriebsärztin/den Betriebsarzt des Unternehmens zu wenden: „Keinesfalls sollten problematischer Konsum gedeckt und die Auswirkungen durch andere ausgeglichen werden müssen“, so Falkenstein.

Diverse Unterstützungsprogramme bei der Gesundheitsförderung von Unternehmen gibt es in Deutschland zuhauf. Und auch die KKH bietet hier eine Anlaufstelle, die speziell für das Thema Sucht in der Arbeitswelt eingerichtet wurde. Außerdem finden Betroffene einen Service mit individuellem Präventionsprogramm zur Rauchentwöhnung unter: https://www.kkh.de/leistungen/praevention-vorsorge/suchtpraevention/nichtraucherhelden

Nikotinbeutel als Enabler der Tabakentwöhnung

Sicher enthalten auch Nikotinbeutel Nikotin als jenen Stoff, der stark süchtig machen kann. Sohin könnte man schließen, mit solchen Alternativen zu Zigaretten würde sich ein Suchtverhalten bloß von einer Konsumform zur anderen verlagern lassen. Ganz falsch ist dies natürlich nicht – und auch solch eine Form des Konsums verlangt ein gewisses Maß an Bewusstsein für das erwähnte Suchtpotenzial.

Doch erstens sind Nicotine Pouches frei von Tabak und gerade diverse Gesundheitsprobleme, wie sie mit Tabak assoziiert sind, können im Falle eines Umstieges umgangen werden. Allen voran gelten hier krebserregende tabakspezifische Nitrosamine (TSNA), die in den weißen Beutelchen eben nicht enthalten sind, als vermeidbar. Man könnte demnach maßgeblich ein Krebsrisiko, wie es für tabakhaltige Produkte nicht geleugnet werden kann, umgehen.

Zweitens birgt gerade das Rauchen eine erhebliche Belastung für die Lunge und ein erhöhtes Risiko für eine Vielzahl von Atemwegs-Erkrankungen. In Form des oralen Konsums von Nikotin, lassen sich ebensolche Risiken jedenfalls vermeiden.

Und wenn zu alle dem der Nikotinbeutel-Konsum in Maßen gehalten wird, resp. mit der Intention geschieht, einer Tabaksucht zu entkommen – im besten Fall mit einer fachlichen Begleitung durch diverse Einrichtungen –, so lässt sich mit seiner Hilfe womöglich ein wirklich gesundheitsschädliches Laster in den Griff bekommen und am Ende die Tabak/-Rauchentwöhnung meistern.

Den Tatsachen entsprechend muss man an dieser Stelle darauf hinweisen, dass es einige Nikotinersatzprodukte gibt, die bereits länger schon erfolgreich bei Nikotinersatztherapien zum Einsatz kommen. Doch wird die Vielfalt an Möglichkeiten wohl am ehesten Erfolgsrezepte schreiben können. Und so findet sich beispielsweise in neuartigen Nikotinbeuteln mit Nicotine Polacrilex eine äußerst interessante, alternative Applikationform, die vielleicht noch mehr Tabakkonsumenten zur Entwöhnung bewegen und diesen eine rauchfreie Zukunft ermöglichen könnte.

Wie tabakfreie Nikotinbeutel aufhörwillige Raucher bei der Entwöhnung in der Praxis tatsächlich unterstützen können, liest du in: Nikotinbeutel als Zigaretten Alternative – Aufklärung könnte Rauchstopp fördern