Nikotinabusus - Ursachen, Auswirkungen und Behandlungsmöglichkeiten
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Was bedeuten die Begriffe Nikotinabusus respektive Tabakabusus? Wie kann ein derartiges Missbrauchsverhalten entstehen und welche Faktoren begünstigen es? Und gibt es denn einen Unterschied zwischen (schädlichem) Missbrauch und Abhängigkeit? Außerdem: welche Behandlungsmöglichkeiten gibt es für Tabakmissbrauch und welche Rolle spielt dabei das sogenannte „biopsychosoziale Modell“? Auf diese und weitere Fragen findest du im folgenden Artikel eine Antwort.
Nikotinabusus Bedeutung
„Abusus“ ist die lateinische Bezeichnung für Missbrauch beziehungsweise unsachgemäßer Gebrauch. Im medizinischen Kontext wird damit hauptsächlich in Verbindung mit illegalen wie legalen Arznei- oder Genussmitteln ein missbräuchliches, schädliches Konsumverhalten bezeichnet.
Im Falle von legalen psychoaktiven Substanzen lässt sich demnach einem schädlichen Gebrauch rein begrifflich – und so auch mindestens theoretisch – ein bedachter, moderat gehaltener, weniger oder nicht schädlicher Genuss entgegensetzen. Aber selbst geringere Mengen auch solch legaler Substanzen bergen oft ein gewisses Abhängigkeitspotenzial, die Grenze zwischen „in Maßen gehaltenem Genuss“ und „schädlichem Missbrauch“ kann also alleine schon deshalb praktisch gesehen rasch verschwimmen. Ein Grund warum sich einige Fachleute am Begriff „Abusus“ bei Substanzen mit einem Suchtpotenzial stoßen, ist demnach, dass ein weniger resp. nicht schädlicher Konsum begrifflich impliziert wird – wenn ein erhöhtes Suchtpotenzial besteht, in der Praxis der Missbrauch alleine aber schon deshalb potenziell gilt und naheliegt. Dies impliziert übrigens, dass eine Abhängigkeit einen Missbrauch mit sich zieht – muss deshalb aber nicht bedeuten, dass umgekehrt ein Missbrauch bereits eine faktische Substanzabhängigkeit bedeutet.
Von Nikotinabusus spricht man insbesondere im Falle eines missbräuchlichen Gebrauchs von Nikotin, der zumeist im übermäßigen Konsum von Tabakprodukten und allem voran dem von Zigaretten besteht. Oft synonym verwendet wird sohin auch der Begriff Tabakabusus. Dabei gilt ein ebensolcher Missbrauch ohne Zweifel als schädliche Form des Konsums, die häufig der Befriedigung einer bereits bestehenden Tabakabhängigkeit dient.
Ursachen von Nikotinabusus
Der Tabakkonsum birgt ein erhöhtes Suchpotenzial, was auch das Risiko für den Abusus steigert. So erzeugt das darin enthaltene Nikotin je nach Menge und Dauer des Konsums ein immer stärker werdendes Verlangen. Durch einen Gewöhnungseffekt bedingt, kann es in der Folge zu einem immer kürzer werdenden Reiz-Reaktions-Intervall kommen, was wiederum eine Steigerung der Konsummenge nötig macht, um dieselben Effekte zu erzielen.
Doch sind es meist mehrere Faktoren, die hier mitmischen und den Konsumverlauf vom reinen Genuss hin zum Missbrauch in komplexer Weise mitbestimmen. Eine Möglichkeit, sich das Entstehen von Nikotinabusus und auch von Suchterkrankungen zu erklären, bietet das sogenannte „biopsychosoziale Modell“, wie dieses als medizinisches Paradigma häufig für die Ätiologie und den Erhalt von Krankheiten herangezogen wird.
Sowie das bio-psycho-soziale Modell eine multidimensionale Sicht auf den Erhalt der Gesundheit liefert, lässt sich dadurch auch das Entstehen und der Erhalt von bestimmten (Sucht-)Erkrankungen erklären – © Bild: AdobeStock/Богдан Скрипник
Ohne ins Detail zu steigen, sind es oberflächlich gesprochen, also drei Ebenen, die hier reziproke Verhältnisse knüpfen. So wirken biologische-, psychische- wie soziale Faktoren wechselseitig aufeinander ein respektive zusammen und können gegebenenfalls das Risiko für einen Nikotinabusus maßgeblich erhöhen.
Obwohl in jedem Fall der Schlüssel im Tabakkonsum selbst liegt, wird man demnach ein wesentlich höheres Risiko für das Ausbilden eines Tabakmissbrauches haben, wenn man beispielsweise:
- ungünstige genetische Prädispositionen für Suchterkrankungen aufweist (erblich bedingte erhöhte Empfänglichkeit = biologische Faktoren),
- außerdem dysfunktionale/maladaptive kognitive Schemata und mangelnde Copingstrategien besitzt (z.B. die Bewertung von und der Umgang mit Stresssituationen dementsprechend inadäquat ist = psychische Faktoren)
- und zudem im familiären Umfeld oder Freundeskreis starke Raucher hat, die einem dementsprechend ein Rauchverhalten gutheißen (= soziale Faktoren).
Das Entstehen eines Nikotinabusus sollte also nicht bloß multifaktoriell, sondern auch multidimensional im Sinne von bio-psycho-sozialen Aspekten verstanden werden. Wenn dann – durch individuell vielleicht unterschiedliche Gründe erklärt – ein übermäßiger Gebrauch schließlich in die faktische Tabaksucht geführt hat, scheint dem Nikotinabusus aller Betroffenen gemein, dass sie den bei einer Nikotinabstinenz auftretenden Entzugs-Symptomen mit Aufrechterhalt des missbräuchlichen Konsums entgegenwirken.
So gesehen scheinen die beiden Begriffe „Abusus“ und „Abhängigkeit“ eng miteinander verwoben und werden wahrscheinlich auch deshalb oft synonym verwendet.
Nikotinabusus Symptome
Missbrauch und Abhängigkeit gelten als eng miteinander vernetzte Phänomene. Oft lässt sich die Grenze zwischen diesen auch nur schwer ziehen.
Streng genommen könnte man aber festhalten:
- Ein Nikotinmissbrauch umfasst ein Konsumverhalten, dass von der Norm abweicht, weit über den Genuss hinausreicht und gesundheitsschädigend ist. Selbst aber dann, wenn ein solch missbräuchlicher Gebrauch im Falle von Tabak schnell in eine Abhängigkeit mündet, könnte mindestens aus eben genannten individuellen vor allem psycho-sozialen Faktoren trotzdem ein „missbräuchlich gehaltener“ Konsum der Fall sein, ohne dass schon eine faktische Abhängigkeit von Tabak mit dafür nikotinspezifischen Entzugs-Symptomen bei Abstinenz bestehen muss.
- Hier könnte sich nämlich schlicht durch dysfunktionale kognitive Schemata ein starkes Verlangen nach dem Tabakkonsum äußern - weil z.B. emotionale Bedürfnisse "fälschlicherweise" so bewertet werden, dass sie sich durch den Konsum bewältigen ließen. Und so könnte dieses Verlangen neben dem Tabakkonsum auch mit einer anderen Ersatzbefriedigung kompensiert/befriedigt werden, ohne dass nikotinspezifische Entzugs-Erscheinungen auftreten müssten.
- Umgekehrt knüpft sich eine faktische Substanzabhängigkeit an substanzspezifische Entzugs-Erscheinungen und kann so den missbräuchlichen Gebrauch bedingen/befeuern.
Nikotinabsus ICD 10
Die internationale statistische Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme (ICD 10) kennt hinsichtlich einer möglichen Fassung von Tabakabusus auch eine ebensolche Unterscheidung mit zwei gesonderten Diagnose-Codes – nämlich zwischen einem „schädlichen Gebrauch“(F17.1) und einem sogenannten „Abhängigkeitssyndrom“(F17.2), wobei F17.1 vorrangig für einen Nikotinabusus gelten kann. Zusätzlich findet sich in der F17 Kategorie (Psychische und Verhaltensstörungen durch Tabak) die „akute Intoxikation“ mit dem weiteren Diagnose-Code F17.0. Dies mag deshalb erwähnt sein, weil ein übermäßiger, von der Norm abweichender, schädlicher Konsum im Sinne eines Tabakmissbrauchs zu einer Intoxikation führen kann.
>> Hier liest du mehr über die Symtome einer Nikotinvergiftung
Für den schädlichen Gebrauch von Tabak lässt sich nun festhalten, dass der Konsum zu einer Gesundheitsschädigung führt, die sich sowohl physisch als auch psychisch äußern kann, wobei meist ein sich wiederholendes Konsummuster erkennbar ist, das trotz dem Wissen um die negativen Folgen fortgeführt wird und (so) auch eine verminderte Kontrolle über den Konsum feststellbar wird. Wer in die F17.2 Diagnose tiefer steigt, wird schließlich erkennen, dass eben dort solch ähnliche Elemente als Teilmenge für die Diagnosestellung gelten, resp. der Missbrauch ein Kernelement zu sein scheint.
>> Hier findest du die symptomatischen Kriterien für eine Tabakabhängigkeit
Chronischer Nikotinabusus und Auswirkungen von Tabakabusus
Vor allem Rauchen im Sinne eines chronisch verlaufenden Tabakabusus kann schwerwiegende gesundheitliche Folgen nach sich ziehen. Je länger der Tabakabusus besteht, desto wahrscheinlicher werden diese schließlich.
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Typische Erkrankungen sind Lungenkrebs, chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD) und Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Außerdem steigt das Risiko für Schlaganfall, Diabetes und depressive wie weitere psychiatrische Erkrankungen. Darüber hinaus kann es zu sozialen wie finanziellen Problemen kommen.
Nikotinabusus Therapie und Behandlungsmöglichkeiten
Es gibt verschiedene Behandlungsmöglichkeiten für einen Nikotinabusus. Denkt man an das zuvor erwähnte bio-psycho-soziale Modell, so setzen auch ihre jeweiligen Methoden an den dementsprechend verschiedenen Ebenen an. Und wie man erahnen könnte, wird der Therapieerfolg durch eine Kombination mehrerer solcher Methoden steigen – wenn „biologische-“, „psychische-“ und „soziale-“ Faktoren wechselseitig aufeinander einwirken, bezogen sind.
Nikotinersatztherapie und Psychopharmaka
Die sogenannte Nikotinersatztherapie (kurz: NET) gilt als eine gängige Variante, um den Entzugserscheinungen bei einer Tabakabstinenz entgegenzuwirken und jene durch eine faktische Substanzabhängigkeit entstandenen, hauptsächlich neurophysiologisch wirkenden und den Suchtdruck, folglich Missbrauch steigernden Faktoren in den Griff zu bekommen. Dabei wird in Form von gängigen Nikotinersatzprodukten wie Nikotinpflastern/-kaugummis das durch den Tabakabusus für den Körper nötig gewordene Nikotin substituiert und in kontrolliertem Ausmaß allmählich ausgeschlichen.
Eine innovative White Snus Variante mit Nicotine Polacrilex, eine an ein sogenanntes Ionentauscherharz gebundene pharmazeutische Formulierung von Nikotin, die eine kontrollierte und gleichmäßige Nikotinaufnahme ermöglicht, könnte hier künftig durchaus eine interessante Möglichkeit bieten und als ergänzende Alternative zu Nikotinkaugummis eine gelungene Chance offenlegen.
>> Lies an dieser Stelle auch, wie ein Arzt und Experte für Programme zur Raucherentwöhnung in seiner praktischen Arbeit Nikotinbeutel als Zigaretten Alternativen beim Rauchstopp befürwortet.
Ebenfalls gängig ist eine Behandlung mit Psychopharmaka – insbesondere solche aus der Gruppe der Antidepressiva, insbesondere Bupropion und Nortriptylin. Aber auch das eigens für die Tabakentwöhnung entwickelte Arzneimittel Vareniclin, ein sogenannter Nicotinrezeptor-Agonist, ist gängig.
Mit solchen Behandlungsansätzen möchte bei der Tabakentwöhnung jedenfalls eine Milderung der Symptome beim Nikotinentzug und des Rauchverlangens erzielt werden, die – und so könnte man sagen – auf der neuro-„biologischen“ Ebene ansetzt.
Psychotherapie
Für einen Tabakabusus gibt es meist zahlreiche psychische, einen Missbrauch begünstigende Faktoren und Auslöser. So z.B. ein dysfunktionaler Umgang mit Stresssituationen oder die oft nicht bewusste Ersatzbefriedigung von anderwärtigen (emotionalen) Bedürfnissen durch den Konsum. Psychotherapie kann hier Abhilfe, Lösungen und langfristig auch Bewältigungsstrategien schaffen – die im besten Fall einen Rückfall verhindern lassen. Alleine deshalb ist sie als Begleitmaßname zum zuvor erwähnten Ansatz äußerst sinnvoll.
Die sogenannte Kognitive- und Verhaltenstherapie (VT) bietet hier einen vielversprechenden Ansatz – der vor allem die bereits angesprochenen maladaptiven Schemata, also ungünstige Verhaltensmuster mit psychisch relevanten Dynamiken, zu lichten und zu modifizieren erlaubt. Meist können so schnelle Therapieerfolge erzielt und der psychische Leidensdruck gesenkt werden.
Weitere psychotherapeutische Ansätze wie z.B. das Psychodrama (PD) oder die systemische Familientherapie (SF) können im Falle von Nikotinabusus auch auf psychosozial ungünstige Dynamiken besonders eingehen und helfen, die erwähnten sozialen, eine Sucht begünstigenden Umstände und ihre Auswirkungen auf das missbräuchliche Konsumverhalten zu verstehen.
Lebens und Sozialberatung in der Raucherberatung
Oft sind es schwierige soziale Umstände, die einen Tabakmissbrauch geradezu begünstigen. Beispielsweise können prekäre Lebenslagen oder schlicht die Komplexität des Alltags überfordern. Diverse Einrichtungen und Stellen für eine Raucherberatung können hier gezielt helfen, aus ebensolch sozial überfordernden Umständen auszubrechen und nachhaltige Lösungen zu finden. Wer seinen Nikotinabusus also in den Griff bekommen möchte, kann auch hier Hilfsangebote, die meist kostenlos sind, in Anspruch nehmen.
Es gibt demnach verschiedene Behandlungsansätze, die - im Sinne des Bio-psycho-sozialen Modells verstanden - einem Tabakabusus in verschiedenster Weise entgegenwirken können. In der Praxis greifen sie meist ineinander – in Form von interdisziplinärer Vernetzung – und können dann auch den größten Erfolg versprechen.
Wie lässt sich ein Tabakabusus vermeiden?
Wer gar nicht erst anfängt, läuft auch nicht Gefahr, einem Tabakabusus zu verfallen. Und für diejenigen, die trotzdem gerne genießen möchten, mag an dieser Stelle noch einmal an das erwähnte multidimensionale Gesundheits-/Krankheits-Modell erinnert sein. Es kann im Reflexionsprozess um die eigenen Bedürfnisse und sein Verhalten nämlich sehr hilfreich sein, eben die drei Ebenen des Biologischen, Psychologischen und Sozialen gleichwertig mitzudenken. Oft lichten sich so mögliche neuralgische Aspekte, geht es um das eigene Konsumverhalten – was selbstverständlich über den Nikotin-/Tabakkonsum hinausreichen kann.
Wer im Lichte dessen erkennen kann, dass speziell psycho-soziale Faktoren das eigene Verhalten dahingehend beeinflussen, dass ein verhältnismäßig übermäßiger Konsum und ein Abusus naheliegen könnten – unabhängig vom Tabak-Suchtpotenzial –, der sollte besonders Acht geben, wenn er zu Tabakprodukten greift. Es kann in dem Fall helfen – so auch schlicht um seine Persönlichkeitsentwicklung voranzutreiben – präventiv Psychotherapie oder Sozialberatungsangebote in Anspruch zu nehmen. Wissen um das eigene Selbst beruhigt nämlich und gibt Möglichkeiten sich selbst vollends entfalten zu können.
Oft kann es auch hilfreich sein, eigens gesteckte Ziele für den Konsum zu überwachen – dies vielleicht auch im Austausch mit den eigenen Freunden und der Familie. Und wer es dann nicht schafft sich an eine gesetzte Konsummenge zu halten, selbst auch, wenn eigene Bewältigungsstrategien eigentlich helfen sollten, der sollte umso mehr auf externe Unterstützung setzen.
In jedem Fall gilt: Halte deinen Konsum so gut als möglich reflektiert und genieße, statt zu „(ge-)brauchen“.
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