Tabakrichtlinie in der neuen EU-Kommission: Die Zukunft für Snus und Nikotinbeutel

Snus und Nikotinbeutel in der EU-Tabakrichtlinie

© Bild: Snuzone

Könnte tabakhaltiger Snus EU-weit legalisiert werden? Oder werden tabakfreie Nikotinbeutel künftig gar verboten? Sosehr diese beiden Fragen den Bogen aktueller Diskussionen spannen, so weit driften dabei die Meinungen auseinander. Spätestens nach den Europawahlen könnte das Thema dann in der neuen EU-Kommission Zündstoff für hitzige Debatten bieten – dann nämlich soll die derzeit gültige Tabakrichtlinie neu ausgelegt werden. Und was hier für eine Legalisierung von Snus und gegen ein Verbot von Nikotinbeuteln spricht, erfährst du im folgenden Artikel.

EU-Tabakrichtlinie soll neu ausgelegt werden

Im Juni wird gewählt, danach erst soll das Thema „Tabak“ auf EU-Ebene wieder neu abgehandelt werden – so zumindest der aktuelle Stand der Dinge. Umfassende Entscheidungen der EU-Kommission zu einer EU-weiten Tabakkontrollpolitik liegen bereits einige Zeit zurück – konkret die Delegierte Richtlinie (EU) 2022/2100 von 2022. Ausgangspunkt hierfür war die europäische Richtlinie für Tabakerzeugnisse (2014/40/EU), die bereits am 19. Mai 2014 in Kraft getreten war und bis zum 20. Mai 2016 in den Mitgliedsstaaten in gültiges Recht gegossen worden ist. Von der Herstellung über die Aufmachung bis hin zum Verkauf von Tabakerzeugnissen hat es hier diverse Änderungen und Verschärfungen gegeben.

Doch seither hat sich einiges getan und vor allem der Begriff „neuartiges Tabakerzeugnis“ schien an seine Grenzen zu stoßen. Hinzu trat auch die schwungvolle Diskussion über den Begriff „neuartiges Nikotinprodukt“. Denn jene Produkte, die durch die Tabakrichtlinie dazumal mit neuartigen Tabakerzeugnissen noch nicht gefasst worden waren, weil sie erst später aufkamen, schließlich auch ohne Tabak auskommen und künftig dann im Sinne einer Ausweitung auf neuartige Nikotinprodukte reglementiert werden könnten, verbreiteten sich am EU-Binnenmarkt äußerst schnell. Insbesondere ist hier die Rede von Nikotinbeuteln – sie liegen mittlerweile nämlich (wortwörtlich) in aller Munde.

Derzeit in der Tabakrichtlinie (2014/40/EU) rechtlich also noch nicht gefasst, erhitzen die weißen Beutelchen und ihre rasante Ausbreitung nicht nur so manch international fungierende Gemüter, auch auf nationalen Ebenen streut sich einiges an Kritik. Ob solche gerechtfertigt ist, sei vorerst dahingestellt. Eine mögliche Implementierung ebensolcher Produkte in einer überarbeiteten EU-Richtlinie für Tabakerzeugnisse scheint aktuell jedenfalls wahrscheinlich.

Kein rechtlicher Rahmen für Nikotinbeutel auf EU-Ebene

Wie erwähnt, umfasst die derzeit gültige EU-Tabakrichtlinie keine neuartigen Nikotinprodukte wie Nicotine Pouches für den oralen Gebrauch. Hier auch ein Grund, dass einzelne Mitgliedsstaaten unterschiedliche Einschränkungen dafür einführen konnten – wenn sie es denn explizit überhaupt taten.

Verkaufseinschränkungen einzelner EU-Mitgliedsstaaten für Nikotinbeutel

Ausdrückliche Einschränkungen für den regionalen Handel mit Nikotinbeuteln gibt es beispielsweise in Belgien, den Niederlanden und auch in einzelnen Bundesländern resp. Landkreisen von Deutschland. In Hamburg z.B. gab es bereits im März 2021 einen Beschluss des Verwaltungsgerichtes, in welchem der Handel mit solch weißen Snus bis auf weiteres untersagt wurde. Solche Einschränkungen betreffen in erster Linie den Einzelhandel und Verkaufsstellen vor Ort, nicht jedoch den Erwerb über den Onlinehandel von Unternehmen, die außerhalb Deutschland sitzen. So kann man weiterhin weiße Snus online kaufen, wenn der Online-Shop seinen Firmensitz außerhalb Deutschlands hat.

Um Nikotinbeutel sachverständig bewerten zu können, müsse von den Behörden erst einmal geklärt werden, wie solche rechtlich einzuordnen seien, hieß es im Zuge unterschiedlicher Rechtsbelangen in Deutschland. Ob als Lebensmittel, Medizinprodukt oder Arzneimittel, könne hierbei nicht eindeutig festgesetzt werden, so einige Gremien und Gerichte nach der Einführung von Nikotinbeuteln am Markt. Obwohl mittlerweile Tendenzen und gerichtliche Gutachten vorliegen, die solche Produkte als Lebensmittel deklarieren – die Begründungen und Stichhaltigkeit sei hier dahingestellte –, ist damit noch nichts in trockenen Tüchern. Und ein „bis auf weiteres“ gültiger Beschluss des Verwaltungsgerichtes Hamburg zieht eben daraus seine Tatkraft.

So wie diese Verkaufseinschränkungen als Hoffnung auf rechtliche Festsetzung von manchen gesehen werden, so wirken sie für viele aus der Luft gegriffen - weil eben diese neuartigen Nikotinprodukte nicht eindeutig oder gar widerspruchsfrei in bestehende Regelwerke eingeordnet werden können. Dass es nun ein EU-weites Regelwerk brauche, hört man im Zuge dessen von beiden Seiten. Und eben hier könnte die (neue) EU-Kommission mit einer Überarbeitung ihrer derzeitigen Tabakkontrollpolitik Abhilfe schaffen.

>> Hier liest du mehr zum Thema: Snus in Deutschland

Evaluierung des EU-Rechtrahmens zur Eindämmung des Tabakkonsums

Derzeit führe die Europäische Kommission eine umfassende Evaluierung des EU-Rechtsrahmens der Richtlinie für Tabakerzeugnisse (2014/40/EU) durch. Eine mögliche Überarbeitung hinge dann von den Ergebnissen der Bewertung, der öffentlichen Konsultation und einer profunden Folgenabschätzung ab, so EU-Sprecher Stefan de Keersmaecker. Im genauen Wortlaut ergänzt dieser noch:

„Die politischen Entscheidungen in dieser Hinsicht werden von der nächsten Kommission im Lichte der oben genannten vorbereitenden Schritte getroffen werden.“

Wohl im Wissen um internationale Unterschiede zu den Regelungen solch tabakfreier neuartiger Nikotinprodukte für den oralen Gebrauch, wird die Kommission allzu wahrscheinlich auch dieses Thema adressieren. Wie genau und was die Folgen sein werden, ist aktuell schwer abzuschätzen. Dem Grundtenor zur Eindämmung des Tabakkonsums folgend und vorrangig der gesteckten Ziele, den Zigarettenkonsum einzudämmen, würden solche Nikotinprodukte jedenfalls eine Zigaretten Alternative  bieten – die sich gekonnt als Chance nutzen ließe.

Grundtenor der Richtlinie für Tabakerzeugnisse

Von der Europäischen Union gibt es den Plan einer EU-weiten Krebsbekämpfung, in welchem bis 2040 eine „tabakfreie Generation“ angestrebt wird. Ein Instrumentarium mit diversen Hebeln bietet hierzu die Richtlinie für Tabakerzeugnisse – lassen sich doch mit dieser solch ein Vorhaben erst einmal auf Schiene bringen und etwaige wichtige Weichenstellungen schaffen.

Wie bereits in der Vergangenheit durch die EU öfters kommuniziert, gälten bei der Krebsbekämpfung Tabak- und insbesondere Rauchfreiheit als Dreh und Angelpunkt – denn könnten 27 Prozent aller Krebserkrankungen auf den Tabakkonsum zurückgeführt werden.

Im Kern geht es also um die Senkung der Prävalenz von Krebserkrankungen, die auf den Tabakkonsum zurückzuführen sind – so also die Agenda und so auch der Grundtenor hinter dem Regelwerk.

Nun drängen die Fragen: Ist Nikotin an sich krebserregend und sind es sohin Nikotinbeutel? Sind Snus krebserregend? Und welche Konsumform von Tabak ist am schädlichsten?

Sind Nikotinbeutel Krebserregend?

Hinsichtlich der schon erwähnten rechtlichen Unsicherheit in Deutschland und einer sachverständigen Bewertung von Nikotinpouches hat das Bundesinstitut für Risikobewertung 2022 einen Bericht der gesundheitlichen Abschätzung veröffentlich – basierend auf vorhandenen Studien und Daten. Die Einschätzung der Karzinogenität – also die Eigenschaft Krebs hervorzurufen – nimmt darin einen wesentlichen Platz ein.*

Im genauen Wortlaut heißt es dann basierend auf Ergebnissen des RIVM (Niederländisches Reichsinstitut für öffentliche Gesundheit und Umwelt):

„Das RIVM fand in seiner Monographie zu Nikotinbeuteln keine Hinweise für karzinogene Eigenschaften von Nikotin [5]. Die Übersichtsarbeit von Sanner & Grimsrud, 2015 kommt zu dem Ergebnis, dass keine Schlussfolgerungen über mögliche tumorauslösende Effekte einer Langzeitbehandlung mit Nikotin gezogen werden können [33]. [..]“

Klarerweise ist Nikotin deshalb nicht ungefährlich – ein Suchtpotenzial und etwaiges Risiko für Herzkreislauferkrankungen wird durch „keine Hinweise auf karzinogene Eigenschaften von Nikotin“ nämlich nicht ausgeschlossen. – Aber diese Ergebnisse legen mindestens nahe, dass kein karzinogenes Potenzial für Nikotinbeutel vom darin enthaltenen Nikotin ausgeht.

Genannt werden im Bericht auch sogenannte tabakspezifische Nitrosamine (TSNA) – diese würden als krebserregend gelten. So sollen mindestens in einem Teil der untersuchten Beutel diese Stoffe noch in Spuren enthalten sein. Wenn Nicotine Pouches TSNA in geringen Mengen enthalten, dann könnte dadurch ein Krebsrisiko bestehen.

Doch erstens enthalten nicht alle Nikotinbeutelarten solche Stoffe. Nämlich gibt es Unterschiede bei den Qualitätsstandards, der Herstellungsart und der darin verarbeiteten Nikotinform, resp. sogar Unterschiede, ob synthetisch hergestelltes- oder aus der Tabakpflanze extrahiertes Nikotin enthalten ist. Und Ersteres kann solche Stoffe in seiner Reinform gar nicht erst enthalten, bei Zweiterem können Reinigungsprozesse den Anteil auf einen kaum messbaren Wert drücken.

Zweitens könnte man schließen: Wenn sie es enthalten, dann bloß in Spuren, also geringen Mengen. Wenn die Menge an TSNA die Höhe des dadurch bedingten Krebsrisikos bestimmt, dann besteht bei diesen Produkten ein geringeres hiervon ausgehendes Krebsrisiko wie bei anderen Tabakprodukten mit einem höheren TSNA-Anteil.

Für Snus, die Tabak enthalten und deshalb auch höhere Mengen an TSNA aufweisen, lässt sich solch ein Schluss klarerweise nicht anwenden – doch ein Blick nach Schweden, wo sie von einer Mehrheit konsumiert werden, könnte auch hier ein geringeres Risiko als gedacht und jedenfalls ein geringeres Risiko als bei Zigaretten nahelegen.

*Vgl. hierzu: https://www.bfr.bund.de/cm/343/gesundheitliche-bewertung-von-nikotinbeuteln-nikotinpouches.pdf

Schwedisches Vorbild: Helfen Snus, die Krebsrate zu senken?

Schweden sei Rauchfrei, nicht aber Nikotinfrei; und in Schweden herrsche eine geringe Krebshäufigkeit, die in Verbindung mit dem Tabakkonsum stehe - so könnten sich grob die Aussagen einiger Befürworter der Schwedischen Tabakkontrollpolitik zusammenfassen lassen.

Ausgeweitet auf die Mortalität (Sterblichkeitsrate), die auf Tabakkonsum zurückgeführt werden kann, schreibt beispielsweise Karl Olov Fagerström – ein schwedischer, in der Abhängigkeitsforschung tätiger Psychologe – in seinem Beitrag „Schadensminimierung in Schweden – der Fall Snus“*:

„Nach Schätzungen der schwedischen Snus-Kommission sterben in der EU jedes Jahr 561 000 Männer an Krankheiten, die auf Tabakkonsum zurückzuführen sind. Hätten die Männer in der gesamten EU die gleichen Tabakkonsumgewohnheiten wie in Schweden, läge diese Zahl bei 205 000.“

Dass Snus positive Effekte bei der Senkung von Krebsraten und tabakkonsumbedingter Mortalität haben könnte, legt auch die schwedische Lakeville-Studie von 2022 nahe.*1 Und Zahlen lügen doch bekanntlich nicht – aber sind sie denn auch aussagekräftig und repräsentativ? Hier sehen dann auch schon einige Kritiker den Grund zur Skepsis.

Für Heino Stöver, den Leiter des Instituts für Suchtforschung Frankfurt (ISFF) scheinen jedenfalls solch „schwedische Zahlen zur geringen Krebshäufigkeit die zentralen Parameter“ zu sein, um sich für eine EU-weite Snus Legalisierung auszusprechen, denn aktuell ist dieser, außer in Schweden, noch verboten.

Zwar zeigt sich die EU vorerst verhalten, ganz unberücksichtigt dürfte das „Schwedische Vorbild“ bei den anstehenden Kommissionsdebatten zur Tabakkontrollpolitik wohl aber nicht bleiben. Gerade die lt. Eurostat vielzitierte niedrigste Raucherquote der Mitgliedstaaten von derzeit rund 5 Prozent lenkt hier den Blick in diese Richtung. Besonders dann, wenn gelten soll, die schädlichste aller Konsumformen, nämlich das Zigarettenrauchen, im ersten Schritt minimieren zu müssen.

*Vgl. hierzu: https://www.bvte.de/files/content/themen/risikoreduktion/23045702_Harm%20Reduction%20in%20Sweden_DE.pdf

*1 Vgl. hierzu: https://hayppgroup.com/app/uploads/2022/08/Fighting-smoking-with-alternative-nicotine-products.pdf

Was für eine Legalisierung von Snus und gegen ein Verbot von Nikotinbeuteln spricht

In momentanen Diskussionen rund um dieses Thema hört und liest man viel von sogenannter Schadensbegrenzung oder einer Strategie der Schadensminimierung. Den Kerngedanken fassen solche Ansätze bei der von der EU angestrebten Tabakfreiheit bis 2040, der schädlicheren Wirkung von Tabakzigaretten im Vergleich zu oralen Konsum-Alternativen, dem Blick nach Schweden, der nicht nachgewiesenen karzinogenen Wirkung von Nikotin usf. So werden dann auch die Argumente für eine Legalisierung von Snus und gegen ein Verbot von Nikotinbeuteln geschnürt.

Einer, der dies in wenige Worte packt, ist z.B. David Eberhard, ein auf Abhängigkeiten spezialisierter Psychiater. Und dieser meint, dass es zwar Menschen gebe, die von Snus abhängig seien, weil Nikotin als Droge abhängig mache.

„Aber wenn man eine Droge, die wirklich schädlich für einen ist, in etwas umwandeln kann, das nicht auf die gleiche Weise schädlich ist, dann erreichen wir eine Schadensbegrenzung.“

Kurzum: Mit Snus und Nikotinbeuteln ließen sich Raucherquoten senken, damit die schädlichste aller Konsumformen einschränken. Und dass dies funktionieren kann, zeigt Schweden vor. Wie Patrick Strömer, Generalsekretär des schwedischen Snus-Herstellerverbandes, kürzlich erklärte, sei der Snus-Fall heute verglichen mit vor 30 Jahren ein "Live-Experiment", bei dem sich zeige, wie Schweden nach 3 Jahrzehnten Europameister bei einer niedrigen "Raucher-Prävalenz" werden konnte.

Nun wird auch klar, was im Belangen Nikotinbeutel und Snus bei einer EU-weiten Regelung sinnvoll scheint. Nimmt man den Grundtenor einer langfristigen Krebsbekämpfung im Sinne der Europäischen Union zur Hand, wirken die Gegner einer Freigabe solch weniger schädlichen Zigaretten-Alternativen vielleicht etwas entkräftet, wenn denn der Blick nach Schweden Pro Snus oder mindestens Pro Nikotinbeutel weist. Dass für Zweiteres eine europäische Lösung hilfreich wäre, sieht man bei nationalen Rechtsbelangen und deren Problemstellungen ohnehin. Eine europäische Lösung sollte jedenfalls den EU-Plan, der in erster Linie nun für einen Rauchstopp eintreten wird müssen, nicht konterkarieren, indem Chancen verspielt werden.